Die rothaarige Frau wirft ihre Haarpracht mit einem unwilligen Schwung des Kopfes zurück. Sie zögert einen Moment, dann zuckt sie die Schultern und lächelt dich an.

"Natürlich, Ihr habt Recht." meint sie auf deinem Hinweis, es wäre ein Versprechen gewesen. "Wenn Ihr euch wirklich mit meiner Lebensgeschichte langweilen wollt. Aber im Ernst. Ich muss sehr weit ausholen."

Sie setzt sich bequemer hin und fängt an zu erzählen.

"Bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr lebte ich im Rahja-Tempel zu Jergan auf Maraskan in dem festen Glauben, die Tochter der Geweihten Havenna Allenstein zu sein. Doch dann erfuhr ich, als ich vierzehn war, durch einen schicksalhaften Zufall, dass dem nicht so war. Ich bedrängte meine Mutter so lange, bis sie mir die Wahrheit offenbarte:

Es war vierzehn Götterläufe her, dass sie am 6. des Rahja nach einem Besuch bei ihrer Tante in Tuzak auf dem Weg zum Hafen war. Dort fand sie mich, wenige Stunden alt, nackt im Schmutz und Unrat einer Hafenspelunke. Mein klägliches Wimmern hatte sie zu mir geführt. Den Göttern sei gedankt, dass sie es war, die mich fand. Beherzt vertrieb sie das Rudel streunender Köter, die mich wohl schon als Abendspeise betrachteten und nahm mich mit. Rahja hielt ihre schützende Hand über mich, denn sie erfüllte das Herz der Tempelvorsteherin mit Mitleid und ich blieb.
Ich wuchs unter den Rahjageweihten auf, die mich mit großer Liebe erzogen und mir eine gute Bildung angedeihen ließen. Die Göttin segnete mich mit großem Geschick in Ihren Künsten und so widmete ich mich mit Eifer Ihren Lehren. Ich hatte mein bisheriges Leben dort verbracht und wünschte mir damals nichts sehnlicher, als auch eine Geweihte der Göttin zu werden. Kurz nach meinem siebzehnten Tsafest ging mein Wunsch in Erfüllung und erhielt die Weihe. Einige der Rahjajünger die den Tempel regelmäßig besuchten, erwiesen mir ihre Gunst, in dem sie mich lehrten, was sie konnten: Sprachen, Mathematik, Astronomie, Pflanzen- und Tierkunde, Gesang, Tanz und Poesie. Ich saugte alles Wissen auf wie ein trockener Schwamm das Wasser, begierig, noch mehr zu lernen. Nachdem ich von meiner wahren Herkunft erfahren hatte, war es jedoch immer schwerer für mich, im Tempel zu bleiben, ich musste hinaus in die Welt.

Ich erhielt die Tätowierung am Hals als Erinnerung und Mahnung. Als ich ging, entschied ich mich, den Namen meiner Mutter anzunehmen, um sie so zu ehren.

Doch hatte ich mir das Leben in Aventurien etwas einfacher vorgestellt. Und etwas ungefährlicher. Also beschloss ich, mein Wissen zu erweitern und mich im Kampf mit und ohne Waffen ausbilden zu lassen. Der Weg in eine Akademie war mir verwehrt, doch fand ich einen Söldner, mit dem ich fast zwei Götterläufe durchs Land zog. Meister Anthensius Bärenreiter lehrte mich gut. Wenn auch das Schwert niemals mein Freund sein wird, so war ich Anthensius mit dem Kampfstab bald ebenbürtig.

Die Launen der Göttin führten uns nach Beilunk, wo mich eine weitere schicksalhafte Begegnung erwartete. Eine Spektabilität der Magierakademie sprach mich auf offener Straße an, erstaunt über die hohe Ausstrahlung von Astralenergie.

Er war verblüfft, als er erfuhr, dass ich noch keinerlei Berührung mit den arkanen Künsten hatte und schleppte mich unbekümmert mit in die Akademie. Tatsächlich erhielt ich ein Stipendium. Also verabschiedete ich mich von Bärenreiter und widmete mich in den nächsten drei Götterläufen dem Studium der Magie.

Auch hier blieb mir einiges an Wissen verwehrt, und so beschloss ich nach der Ausbildung weiter als Glücksritter durch das Land zu ziehen. Ich blieb, wo ich etwas über Magie lernen konnte, bei den Elfen, bei zwei alten Hexen und einen halben Götterlauf bei einem erfahrenen Druiden. Ich weiß, es hört sich überheblich an. Aber es bedeutet nicht, dass ich in allem, was ich versucht habe zu erlernen auch wirklich gut bin. Ich muss zugeben, in manchen Dingen bin ich nach wie vor grottenschlecht. Aber ich habe alles Wissen, dass man mir angeboten hat, auch aufgenommen, egal ob ich es anwenden oder beherrschen kann oder nicht. Wer weiß wozu es irgendwann einmal gut ist. Aber irgendwann merkte ich, dass mir vieles an Wissen verwehrt bleiben würde. Also beschloss ich, für einige Zeit nach Hause zurückzukehren. Als ich in der Khom auf den Ziegenhirten der ben Tovarr traf, war ich auf dem Weg nach Kunchom um nach Maraskan überzusetzen. So bin ich zu den Fünfen gestoßen und habe sie auf der Jagd nach dem Schädelspalter begleitet. Den Rest kennt ihr."


Elegant und geschmeidig erhebt sie sich aus ihrem Sessel. Ihre schwarze Lederkleidung gibt kein Geräusch von sich, als sie zu dir tritt und sich verabschiedet.

„Es hat mich gefreut, mein Versprechen einlösen zu können. Bleibt ruhig noch auf einen Schluck Wein, gestattet mir aber, mich zurück zu ziehen.“