„Da gibt‘s nich‘ viel zu erzählen.“ wehrt der große Thorwaler ab.

Mit einem Geschick, dass man ihm nicht unbedingt zugetraut hätte, säbelt er mit einem riesigen Messer hauchdünne Scheiben von einem mächtigen Schinken. Die Hälfte davon legt er auf einen Teller zu einem Stück frisch gebackenem Brot und schiebt ihn dir kommentarlos zu. Er stopft sich den Mund mit Schinkenscheiben voll und nuschelt ungeniert los:

„Ich bin nur ein einfacher Seefahrer, naja, ich war‘s mal. Mein Ottajasko, die Windbrecher, sind in Merske daheim. Das liegt am Golf von Prem.“

Er unterbricht sich und bückt sich unter den Tisch. Irgendwoher angelt er eine Tonflasche, zieht den Korken mit den Zähnen heraus und spuckt ihn in die Ecke. Mit der anderen Hand hangelt er zwei kleine Silberbecher heran und gießt großzügig ein.

„Machen guten Schnaps da!“ meint er grinsend und hebt die Flasche an, „Premer Feuer. Zum Wohl, mein Freund!“

Der Thorwaler amüsiert sich köstlich über dein rot angelaufenes Gesicht und ignoriert freundlicherweise die Tränen, die dir die Wangen herunter laufen. Da deine Stimmbänder zeitweilig den Dienst verweigern, kannst du nicht viel erwidern, als Isegrimm aufsteht, dir freundschaftlich seine Pranke zwischen die Schulterblätter hämmert und dir verschwörerisch zuraunt:

„Feines Tröpfchen, was? Hab ich selbst gebrannt!“

Pfeifend marschiert er los in Richtung Küche.

„Erhol dich erstmal, ich organisiere uns mal ein paar Krüge Bier, da redet es sich flüssiger.“

Wenig später sitzt dir der große Mann mit zwei bauchigen Krügen dunklem Bier wieder gegenüber.

„Ja, Merske …“ seufzt er nachdenklich. „Das waren noch Zeiten. Ich bin wie jedermann in Thorwal mit 12 Götterläufen an Bord gegangen und habe gelernt, was ein Thorwaler zu lernen hat. Es war eine harte Zeit, das kannst du mir glauben. Schiffdienst, Nautik und natürlich das Kämpfen lernen. Der Maat der meine Kameraden und mich ausgebildet hat, war mit allen Wassern gewaschen, ein wirklich harter Kerl. Und er hat Alles von uns verlangt. Mann, war das übel!“

Isegrimm pfiff anerkennend durch die Zähne.

„Aber es hat sich gelohnt, ich hab mich, glaube ich, ganz gut entwickelt, was?“

Der Thorwaler leert seinen Krug mit einem riesigen Zug zur Hälfte und knallt ihn vergnügt auf die Tischplatte. „Als ich 20 war, bin ich als Steuermann gefahren, bin ziemlich rumgekommen. Und zwei Götterläufe später gab‘s diesen kleinen Zwischenfall, dem ich meinen Beinamen verdanke.“

Er schnaubt verächtlich durch die Nase.

„War das ein mieses Ding. Aber wir habens ja hingekriegt. Das ist die Hauptsache, Efferd sei Dank!“Isegrimm nimmt deine mühevollen, durch Premer Feuer verstümmelten Sprachversuche als Frage.„Ja, die Geschichte ist ziemlich rumerzählt worden. Du weißt ja, Seeleute müssen in den Tavernen immer die beste Geschichte parat haben. Wundert mich trotzdem. Bin ja deswegen kein großer Held oder so was. „

Der große Thowaler kratzt sich gedankenverloren am Kopf.
„Obwohl….ein bisschen geschmeichelt hat es mir schon, dass sogar die ein oder andere hochgestellte Persönlichkeit von mir gehört hat. Ich glaube, der bekannteste von Ihnen war Herzog Jucho, der Adelsmarschal des Bornlandes. Damals, als wir den Schädelspalter jagten ...genau… Ana und ich hatten eine Audienz bei ihm ….



….
Ana T´hilde und Isegrimm traten vor den Herzog und begrüßten ihn mit den Worten:

„Die Zwölfe mit Euch, Euer Hoheit. Wir überbringen Euch Grüße von Seiner Durchlaucht Kasimir von Nostria.“

Herzog Jucho betrachtete seine Besucher mit nur geringem Interesse.

„Ich danke Euch. Was führt Euch zu mir?“

„Erlaubt, dass wir uns vorstellen. Mein Name ist Ana T´hilde, Reichsfreiin von Falkenborn und mein Begleiter ist Isegrimm vom Ottajasko der Windbrecher, ebenfalls nostrianischer Freiherr.“

Der Kopf des Herzogs ruckte hoch.

Aufmerksam betrachtete er seine Gäste.

„Ich habe von einem Isegrimm gehört.“ sagte er bedächtig. „Man hört sehr vieles in einer so großen Hafenstadt wie Festum. Man nennt ihn die „Geißel von Svartenhuuk“, zumindest wird dieser Beiname von den thorwaler Seeleuten benutzt.“

„Wie ihr schon sagtet, Euer Hoheit, man hört viel in einer Hafenstadt.“ brummte Isegrimm zurückhaltend.
„Nun,“ meinte Herzog Jucho, „dieser Isegrimm ist eine wahrhaft interessante Person. Wisst ihr, was man über ihn erzählt?

Vor einigen Götterläufen wurde eine kleine Siedlung am Golf von Prem von ausgestoßenen Seeräubern überfallen. Männern, die keine Ehre mehr haben, die keinem Ottajasko mehr angehören. Sie haben fast alle Männer getötet, die Frauen geschändet und die restlichen Überlebenden wie Sklaven gehalten.

Einigen gelang die Flucht und sie informierten die thorwalsche Hetfrau. Es wurde ein Drachenschiff bemannt, unter dem Kommando des Hetmans Tronde vom Ottajasko der Wellenpeitscher. Sein zweiter Mann hieß Isegrimm.

Sie erreichten die kleine Siedlung, die Svartenhuuk heißt, und gingen an Land. Es entbrannte ein wilder Kampf, bei dem Hetman Tronde ziemlich schwer verwundet wurde. Isegrimm übernahm das Kommando und man sagt, er habe eigenhändig neun Seeräuber erschlagen. Er traf dann auf den Anführer der Meute und der brach ihm mit einer Ochsenherde den rechten Arm.

Isegrimm hat den Bastard mit der linken Hand erwürgt und Svartenhuuk befreit. Die Seeräuber ließ er mit ihren eigenen Geißeln an Bord des Schiffes treiben und später über die Planke gehen. Man hat nie wieder davon gehört, dass irgendjemand versucht hat, eine Siedlung in Thorwal zu besetzen.“

Herzog Jucho stand auf und trat auf die beiden Freunde zu.

„Wisst ihr, was das Interessanteste an der Geschichte ist? Dieser Thorwaler Isegrimm soll anstelle des geliebten Säbels die für Thorwaler unübliche Ochsenherde als Waffe behalten haben und soll sie meisterhaft führen.“

Mit einem schnellen Griff schlug der Herzog Isegrimms Mantel zurück und warf eine bezeichnenden Blick auf die Ochsenherde, die an Isegrimms Seite hing.

Der Adelsmarschall lachte schallend und schlang seine Arme um Isegrimm.

„Seid mir willkommen! Seid herzlich willkommen.“ Er schüttelte Isegrimm hocherfreut die Hand und führte Ana und ihn zu einer Sitzgruppe in der Ecke des Saales.

„Ihr glaubt nicht, wie ich mich freue, Euch kennen zu lernen!“



….“Ja, in der Tat!“ schloss Isegrimm mit einem stolzen Lächeln. „‘s hat mir geschmeichelt. Ich geb‘s zu!“ Sein Blick wandert zwischen dir und deinem leeren Schnapsbecher hin und her. Bevor du noch irgendwie reagieren kannst, füllt er großzügig aus der Tonflasche nach.

„Darauf trinken wir noch einen! Oder, mein Freund?!“